January 1st, 2023

Stadt, Land, Mensch. Richard Sennett wird 80

Dass die Art und Weise, wie wir zusammenleben immer auch mit unserer Umgebung und den uns umgebenden Strukturen zusammenhängt, ist auch für die Designforschung von zentraler Bedeutung. Ein großer Vordenker dieser Erkenntnis wird heute 80 Jahre alt. Seit mehr als fünf Jahrzehnten arbeitet Richard Sennett als Soziologe, Autor und Gelehrter unermüdlich daran, die Welt zu verstehen und, ja: auch zu verbessern. Als Stadtsoziologe beschäftigt er sich dabei insbesondere mit dem Zusammenleben der Menschen in urbanen Räumen.

Geboren am 1. Januar 1943 in Chicago und wuchs Sennett in einer Arbeiterfamilie auf. Er studierte an der University of Chicago und der London School of Economics, bevor er an der Harvard University promovierte. Seitdem hat Sennett zahlreiche Bücher veröffentlicht, darunter “The Fall of Public Man” (1977), “The Corrosion of Character” (1998) und “The Culture of the New Capitalism” (2006). In seinem Buch “The Uses of Disorder” (1970) argumentiert er, dass die Stadt als sozialer Raum eine wichtige Rolle bei der Entwicklung individueller Persönlichkeiten spielt. Sennett betont, dass die Stadt nicht nur als Wirtschafts- und Verwaltungszentrum dient, sondern auch als Ort der Begegnung und des Austauschs. Er betont die Bedeutung von öffentlichen Räumen, in denen Menschen unterschiedlicher Herkunft und sozialer Schichten zusammenkommen und miteinander interagieren.

In “The Conscience of the Eye” (1990) setzt sich Sennett mit dem Thema Architektur und Design auseinander. Er argumentiert, dass die Art und Weise, wie wir unsere Umwelt gestalten, Auswirkungen auf unsere sozialen Beziehungen hat. Sennett betont, dass Architektur nicht nur als Funktionsträger, sondern auch als Ausdruck von Kultur und Gesellschaft betrachtet werden sollte. Er plädiert für eine Architektur, die sich an den Bedürfnissen der Menschen orientiert und die Möglichkeit bietet, sich zu begegnen und zu interagieren. In “The Craftsman” (2008) betont er die Bedeutung von Handwerk und handwerklichem Können in der modernen Gesellschaft und argumentiert, dass die Fähigkeit, Dinge zu schaffen und zu reparieren, nicht nur wirtschaftlich von Nutzen ist, sondern auch zur Entwicklung individueller Persönlichkeiten beiträgt.

Durch Sennett haben wir gelernt, dass die Stadt ein Ort des Austauschs und der Kommunikation ist, aber auch ein Ort des Konflikts und der Spannungen. Er hat uns gelehrt, dass es wichtig ist, die Dynamik der Stadt zu verstehen, um sie zu gestalten und zu verbessern. Er hat uns gezeigt, dass Arbeit mehr als nur ein Mittel zum Zweck ist und dass es wichtig ist, dass Arbeitnehmer eine Stimme haben und ihre Ideen einbringen können. Sennett hat überdies verstanden, dass Architektur und Design mehr als nur ästhetische Entscheidungen sind. Er hat uns gezeigt, dass die Art und Weise, wie wir unsere Umgebung gestalten, einen großen Einfluss auf unser Wohlbefinden und unser Zusammenleben hat. Dass es wichtig ist, die Bedürfnisse und Wünsche der Menschen zu berücksichtigen, wenn wir unsere Welt gestalten. Richard Sennett hat uns ein Verständnis für die Welt vermittelt – und tut dies immer noch –, das uns dazu inspiriert, die Welt zu einem besseren Ort zu machen. Dass es manchmal noch an der Umsetzung hapert, ist nicht sein Verschulden.

Der Video Ausschnitt stammt aus einem Treffen Richard Sennetts mit Tom Bieling im Jahre 2015. Beim gemeinsamen Kaffeekränzchen über materielle Kultur, Demokratie und Machtverhältnisse wurde auch die Rolle der Technologie diskutiert. Die zentrale Frage, welche Art von Technologie wir benötigen: von Sennett knackig auf den Punkt gebracht.

References

Download & Citation Info

Klein, Insa (2023): Stadt, Land, Mensch. Richard Sennett wird 80. DESIGNABILITIES Design Research Journal, (01) 2023. https://tinyurl.com/ybhvnbnx ISSN 2511-6274