October 23rd, 2025

Medialität – Materialität – Körper

In der jüngeren Medienphilosophie lässt sich eine Verschiebung beobachten: Weg von einem Verständnis des Medialen als bloßer Vermittlungsinstanz, hin zu einer Ontologie der Relationen, in der Medialität, Materialität und Körperlichkeit untrennbar aufeinander bezogen sind. Medialität wird dabei weniger als Bedingung der Möglichkeit von Erfahrung, sondern zunehmend als Bedingung der Möglichkeit von Verkörperung verstanden – als Geflecht von Praktiken, Stoffen und Relationen, in denen das, was „menschlich“ heißt, überhaupt erst Gestalt annimmt.

Diese Neuorientierung steht in einem Spannungsfeld zwischen “klassischen” medienphilosophischen Entwürfen, die Medialität als anthropologische Grundstruktur bestimmen (vgl. Engell/Siegert 2013; Jäger 2015), und jüngeren, kritisch-posthumanistischen Ansätzen, die den Menschen selbst in seinen technischen und materiellen Verflechtungen dezentrieren (Barad 2007; Braidotti 2022). Die Frage, was Medien machen – und für wen sie einen Unterschied machen (Barad 2012) – gewinnt dabei eine politisch-epistemische Dimension: Medialität ist nicht neutral, sondern situiert, differenziert und affiziert.

Im Anschluss an feministische und technikphilosophische Traditionen (Haraway 1985; Hayles 1999; Russell 2020) wird die Aufmerksamkeit auf jene Körper gelenkt, die in medienphilosophischen Theorien oft als implizite Norm mitgeführt wurden – der vermeintlich neutrale, männlich codierte Beobachterkörper. Intersektionale Perspektiven aus queer theory, dis/ability studies und critical race studies machen sichtbar, dass auch das Wahrnehmen, Empfinden und Denken selbst medial strukturiert und von gesellschaftlichen Einschreibungen durchzogen ist (Weiss et al. 2020). Damit verschiebt sich der Fokus von einer Anthropologie der Medialität zu einer Politik der Medialität.

Innerhalb dieser Konstellation gewinnt der Begriff der Materialität neue Bedeutung. Wenn die Materie – wie Karen Barad betont – nicht bloß passiver Träger, sondern aktiver Teilnehmer an der Konstitution von Beziehungen ist, dann erscheint Medialität als materielle Praxis (Barad 2007). Auch die postphänomenologische Diskussion um Technik und Wahrnehmung (Rosenberger 2020; Linsenmeier/Seibl 2019) trägt zu diesem Perspektivwechsel bei, indem sie das Verhältnis von Mensch und Apparat nicht als instrumentell, sondern als relational, verkörperungsabhängig und damit politisch situiert begreift.

Vor diesem Hintergrund setzt der Workshop „Kritisch-posthumanistische Medienphilosophie. Medialität – Materialität – Körper“ (24.–25. Oktober 2025, Ruhr-Universität Bochum) an. Er versteht sich weniger als thematische Bündelung denn als Versuch, die begrifflichen Spannungen zwischen kritischem Posthumanismus, neuem Materialismus und (post-)phänomenologischen Ansätzen produktiv zu machen. Dabei geht es um die Frage, wie diese heterogenen Theoriefelder miteinander ins Gespräch gebracht werden können, ohne ihre jeweiligen Differenzen einzuebnen.

Die Veranstaltung knüpft an einen medienphilosophischen Diskurs an, der sich seit Mitte der 2010er Jahre zunehmend interdisziplinär öffnet. Statt auf systematische Vereinheitlichung zielt sie auf methodologische Reibung: auf das Ausprobieren, Aushandeln und Neujustieren von Begriffen wie Assemblage, Relation, Intentionalität oder Multistabilität. Dass der Workshop ein Format jenseits des klassischen Vortrags wählt – kurze Impulse anstelle ausformulierter Referate – ist Ausdruck dieser Haltung. Erkenntnis soll hier nicht durch Systematik, sondern durch Perspektivenvielfalt entstehen: durch das, was sich im Austausch, in der situativen Kollision von Theoriebewegungen zeigt.

Medialität und Materialität mögen hier also als gemeinsam zu denkende Bedingungen der Verkörperung thematisiert werden. In diesem Sinne adressiert der Workshop zugleich eine Leerstelle innerhalb der medienphilosophischen Forschung: die Frage, wie sich der Körper als Ort medialer Praktiken politisch und epistemisch situieren lässt. Die Bochumer Tagung steht somit exemplarisch für eine gegenwärtige Tendenz, die Medienphilosophie als kritische Theorie der Materialität neu zu denken – nicht als Abkehr von Phänomenologie oder Anthropologie, sondern als deren Revision.

Der Workshop wird organisiert von Patrizia Breil und Alisa Kronberger (HfG Offenbach) und findet statt vom 24.–25. Oktober 2025 im Blue Square, Kortumstraße 90, Bochum.

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