November 8th, 2022

Wie effektiv ist der Suppenprotest?

Die Suppenproteste der „Just Stop Oil“ Demonstrant:innen mit ihrem Wurf auf das Van Gogh Gemälde sorgten für weltweites Aufsehen. Aber sind sie auch effektiv?

Vor Kurzem haben zwei Aktivisten von Just Stop Oil Tomatensuppe auf Vincent Van Goghs Sonnenblumenbild in der National Gallery geschüttet und sich dann an die Wand geklebt, um damit zu signalisieren, ähm, nun ja, äh… ich bin mir nicht ganz sicher.

Die verblüffende Diskrepanz zwischen der Taktik der Aktivist:innen und der Botschaft, die sie zu vermitteln versuchten – die Verbindung zwischen Öl und Klimakrise, falls Sie es noch nicht herausgefunden haben – wurde in den Medien ausführlich diskutiert und ins Lächerliche gezogen.

Eine Rechtfertigung der Aktion, die mir zu Ohren gekommen ist, lautet, dass die Aktivist:innen gerade durch ihre unsinnige Art den Sinn der Aktion vermitteln wollten. Die Kraft, zu schockieren, insbesondere in einer liberalen Gesellschaft, die traditionellere Formen des Aktivismus wie Petitionen, Kundgebungen und Märsche als sinnlos abtut, sei genau das, was man braucht, um die Öffentlichkeit aus ihrer Erstarrung aufzuwecken.

Ein Vergleich der sich aufgrund des musealen Rahmens anbietet, findet sich in dem Ansatz der Dadaisten, die im Zuge des Ersten Weltkriegs den vermeintlichen Unsinn ihrer Gedichte und Kunstinstallationen dazu nutzten, um den gesunden Menschenverstand in Frage zu stellen, der die sinnlose Gewalt in einer Welt im Krieg ermöglichte. Die Gefahr bei diesem Ansatz besteht jedoch darin, dass oft nur der Schockwert und nicht die Botschaft vermittelt wird und in Erinnerung bleibt.

Dies wäre soweit kein Problem für einen Künstler, der für sich und seine Kunstbewegung Bekanntheit erlangen will. Aber es ist ein Problem für Aktivist:innen, die versuchen, die Menschen zum Nachdenken und Handeln zu bewegen. Ich nehme an, dass die Absichten der Just Stop Oil Aktivist:innen aufrichtig sind und ihre Aktion nicht auf Eigennutz ausgerichtet war. Doch was wird eine Woche nach ihrer Intervention diskutiert: die Aktion als solche oder die Gründe, die damit unterstützt werden sollen? (Mea culpa.)

Mir geht es hier nicht darum, Taktiken als richtig oder falsch zu beurteilen. Jede Taktik kann im richtigen Kontext die richtige sein. Unser Planet muss mit allen notwendigen Mitteln gerettet werden. Wenn es dazu erforderlich ist, sich an eine Museumswand zu kleben, dann sei es so. Wenn es bedeutet, ein Gemälde mit Essen zu bewerfen, bravo. Es kann sogar bedeuten, ein Museum ganz niederzubrennen. (Das hat der bekannte Künstleraktivist Alfredo Jarr einmal im schwedischen Skoghall getan, um das Bedürfnis der Bürger:innen nach einem echten Museum zu wecken – und es hat funktioniert!)

Aber die Mittel müssen immer zu den gewünschten Zielen führen. Die Anwendung einer Maßnahme, ohne sich Gedanken darüber zu machen, wie sie von der Zielgruppe verstanden wird und welche Auswirkungen dies auf die Erreichung der Ziele hat, ist im besten Fall Zeitverschwendung und im schlimmsten Fall kontraproduktiv.

Eine Faustregel für erfolgreichen Aktivismus lautet: Die angewendete Taktik muss die Botschaft transportieren, die vermittelt werden soll. Rosa Parks’ Weigerung im Jahr 1955, ihren Sitzplatz einem Weißen zu überlassen und sich in den hinteren Teil des Busses zu setzen, war sowohl ein mutiger Akt des Widerstands als auch eine klug formulierte Botschaft für das, wofür der Kampf geführt wurde: das Recht der Schwarzen, in öffentlichen Verkehrsmitteln zu sitzen, wo immer sie wollen.

Als sich die Aktivisten der Umweltschutzgruppe Liberate Tate 2011 in der Lobby des Tate-Museums hinlegten und sich mit Öl übergossen, zeigte der Kontrast zwischen dem weißen Marmorboden und dem fließenden schwarzen Öl in beeindruckender ästhetischer Form die toxische Beziehung der Kulturinstitution zu British Petroleum (obwohl die Kunstfertigkeit der Intervention angesichts des Ortes Gefahr lief, als ein weiteres Kunstwerk gewertet zu werden).

Die taktische Vorgehensweise muss die notwendige emotionale und materielle Wirkung erzeugen, um Macht herauszufordern und den Planeten zu retten. Ohne diese Überlegung und Sorgfalt wird der Aktivismus zu einer bloßen Aktion von Aktivist:innen. Avantgarde-Künstler:innen können es sich leisten, die Bourgeoisie zu schockieren; Aktivist:innen müssen so viele von ihnen wie möglich auf unsere Seite ziehen.

Es ist nicht ganz klar, inwieweit Just Stop Oil an dieser Front erfolgreich war.

Übersetzung: Tom Bieling. Im Original erstmals veröffentlicht am 20. Oktober 2022 in THE GUARDIAN.

References

Übersetzung: Tom Bieling. Im Original erstmals veröffentlicht am 20. Oktober 2022 in THE GUARDIAN.

Download & Citation Info

Duncombe, Stephen (2022): Wie effektiv ist der Suppenprotest? (Übersetzung: Tom Bieling). DESIGNABILITIES Design Research Journal, (11) 2022 https://tinyurl.com/2p8888z7 ISSN 2511-6274