December 3rd, 2025
Soziale Diskriminierung im musealen Raum
Die durch Krisen geprägte Gegenwart und die stetig zunehmenden Unterschiede in den Lebensbedingungen von ökonomisch und sozial unterprivilegierten und wohlhabenden Menschen in den westeuropäischen Gesellschaften haben zur Folge, dass die Frage der Klassenzugehörigkeit auch hier wieder verstärkt zum Thema geworden ist – und damit der Klassismus. Gut sichtbar ist das in Literatur und Theater mit zahlreichen autobiografischen Texten über soziale Aufstiegs- und Diskriminierungserfahrungen.
Klassismus beschreibt die Vorurteile und den Ausschluss von Menschen aufgrund ihrer vermuteten ökonomischen Situation und/oder sozialen Herkunft. Wie beim Rassismus oder Sexismus, betrifft die Benachteiligung aufgrund von Klassismus alle Bereiche des alltäglichen und gesellschaftlichen Lebens. Das Feld der Kunst und Kultur ist dabei erwartungsgemäß nicht ausgenommen, gleich ob man auf die Seite des Publikums oder jene blickt, die in der Kulturproduktion tätig sind: Kulturelle Teilhabe wird von finanziellen wie sozialen Ressourcen bestimmt. Eine Arbeit in der Kulturbranche muss man sich finanziell leisten können.
Die zweitägit Veranstaltung Klassismus – Soziale Diskriminierung im musealen Raum fragt nach den Möglichkeiten, sich dieser klassistischen Prägung des Systems bewusster zu werden. Durch die Verknüpfung mit der aktuellen Sonderausstellung „Milieudinge – von Klasse und Geschmack“ im Werkbundarchiv – Museum der Dinge besteht die Möglichkeit, sich konkret mit dem Thema und seiner Darstellbarkeit im musealen Raum, im Bereich der Kunst und Literatur auseinanderzusetzen.

Noch bis zum 2. März 2026 regt die Ausstellung dazu an, über soziale Ungleichheit und Distinktionsmechanismen nachzudenken – und auch das eigene Klassifizieren zum Thema zu machen. Einkommensschere, Aufstiegsleiter, Fahrstuhleffekt – unser Sprechen über Gesellschaft ist durchzogen von Ding-Metaphern. Aber unsere Dinge stecken auch voller Gesellschaft. Sie geben Auskunft über Machtverhältnisse und soziale Zugehörigkeiten, sie erfahren einen Bedeutungswandel oder entziehen sich einer klaren Zuordnung. Und sie erzählen von der Einteilung der Gesellschaft in Gruppen.
Diese Milieudinge nimmt die Ausstellung in den Blick. Den theoretischen Rahmen für die dingliche Auseinandersetzung bilden verschiedene Modelle der Sozialstrukturanalyse. Gesellschaftliche Differenzierungsprozesse werden in Form von Ständepyramide, Dahrendorfhäuschen oder Kartoffelmodell sichtbar und mit Milieudingen in Beziehung gesetzt: Klassen, Schichten und Lebensstile treffen auf Hanteln, Socken und Trüffelöl.
Auf dem zweitägigen Symposium gilt es unterschiedliche Perspektiven auf das Thema kennen zu lernen und mit Forscher:innen, Kulturproduzent:innen und -vermittler:innen ins Gespräch zu kommen, die sich tagtäglich bemühen, Barrieren abzubauen und kulturelle Zugänge für alle zu schaffen.
Klassismus – Soziale Diskriminierung im musealen Raum
04.12. - 05.12.2025, Museumsakademie Joanneum, Berlin
Treffpunkt: Werkbundarchiv - Museum der Dinge, Berlin (DE)
Mit
Natalie Bayer Museumsleitung FHXB Friedrichshain-Kreuzberg Museum, Berlin (DE)
Alexander Renz freier Kurator und Projektleiter, Berlin (DE)
Francis Seeck Kulturanthropolog:in, Professur für Soziale Arbeit mit Schwerpunkt Demokratie- und Menschenrechtsbildung an der TH Nürnberg (DE)
Nora Sternfeld Kunstvermittlerin, Kuratorin und Professorin, HfBK Hamburg und /ecm Universität für angewandte Kunst Wien (DE+AT)
Oliver Tewes-Schünzel Soziologe, Wissenschaftlicher Mitarbeiter am Institut für Kulturelle Teilhabeforschung, Berlin (DE)
Imke Volkers Wissenschaftliche Co-Leitung Werkbundarchiv – Museum der Dinge, Berlin (DE)
Sabine Wohlfarth Leitung des Arbeitsbereichs Bildung & Vermittlung am GRASSI Museum für Völkerkunde zu Leipzig (DE)

Programm
Donnerstag, 04. Dezember
Ort: Werkbundarchiv – Museum der Dinge, Leipziger Str. 54, 10117 Berlin, U-Bhf. Spittelmarkt
09.00–09.30
Eintreffen und Check-in
09.30–10.00
Begrüßung, Vorstellungsrunde und inhaltliche Einführung
Renate Flagmeier, Bettina Habsburg-Lothringen
10.00–12.00
Führung und Diskussion
Die Ausstellung „Milieudinge – von Klasse und Geschmack“
Alexander Renz, Imke Volkers
12.00–13.30
Vortrag
„Klassismus als ausgeblendete Diskriminierungsform im Museum“
Francis Seeck
13.30–15.00
Mittagspause
15.00–16.15
Vortrag
„Geschichten über Klassenaufstiege – Förderung eines neuen Klassenbewusstseins?“
Renate Flagmeier
16.15–17.30
Vortrag
„Rassismus und Klassenverhältnisse – Politiken und Praktiken in der Sammlungs- und Ausstellungsarbeit“
Natalie Bayer
17.30
Umbau und Pause
18.00–19.30
Öffentlicher Vortrag
„Wer sind alle? Oder: Was Museen lernen können“
Nora Sternfeld
Freitag, 05. Dezember
09.30–11.00
Vortrag
„Milieus statt Klassen? Kulturstatistik im Zeichen antiklassistischer Zielgruppenarbeit“
Oliver Tewes-Schünzel
11.00–11.15
Kaffeepause
11.15–12.15
Vortrag
„Museen und Menschen!? – Herausforderungen klassistischer Diskriminierung innerhalb von Kulturinstitutionen“
Sabine Wohlfahrt
12.15–13.00
Mittagspause im Museum
13.00–14.00
Workshop
„Von Ding-Klassen zu Klassendingen?“
Renate Flagmeier, Alexander Renz
14.00–14.30
Resümee und Ausblick
14.30
Möglichkeit zur Besichtigung der Dauerausstellung im Werkbundarchiv – Museum der Dinge
Veranstaltungsleitung
Renate Flagmeier freie Museologin und ehem. Chefkuratorin Museum der Dinge, Berlin (DE)
Bettina Habsburg-Lothringen Leitungsteam Museumsakademie, Graz (AT)
Teilnahmegebühr
200 €, ermäßigt 150 € (Die Ermäßigung gilt für Studierende, Volontärinnen, Arbeitssuchende und Mitarbeiterinnen von Kooperationspartner*innen des laufenden Jahres.)