December 16th, 2022

Design und Bildung – Wieso wir mehr Design in der Bildung und mehr Pädagogik im Design brauchen

Es mag nicht leichtfallen, Design und Bildung zusammen zu bringen. Schnell denkt man an schlecht gestaltete Arbeitsblätter aus der Schule. Reduziert man den Design-Begriff jedoch nicht allein auf visuelles Gestalten, passen die beiden Begriffe auf einmal viel besser zusammen. Drei Lesarten des Begriffs Design sollen uns hierfür als Leitplanken dienen.

Zunächst kann man Design als Handlungsweise verstehen. Hierbei geht es unter anderem um ein Streben nach Weiterentwicklung. Desweiteren kann man Design als Entscheidungshandeln bezeichnen. Diese Definition geht auf Herbert A. Simon und James March zurück: „Handeln, um Entscheidungen zu treffen und Entscheidungen treffen, indem man handelt.“ (Zerweck 2019: S. 16) Als letztes kann man Design auch als Problemlösen interpretieren.[1]

Innovatives Denken, Entscheidungen treffen und Probleme lösen, sind alles Fähigkeiten, die wir in der Schule lernen sollen und die somit auch ein Ziel der Pädagogik sind.

Instructional Design

Beim Instructional Design handelt es sich um den Prozess, bei dem Inhalte in Lerninhalte umgewandelt werden. Dabei werden die Inhalte erst gesichtet und sortiert, um sie dann in ein Format zu bringen, welches sich für die Lernenden anbietet. Ziel ist es, dass der Stoff für die Lernenden interessant und einfach zu verstehen ist.

Das Instructional Design entstand in den späten fünfziger Jahren in Nordamerika, als eine wissenschaftlich-technologische Teildisziplin der pädagogischen Psychologie. Auch heute ist es ein wichtiger Teil des Instructional Designs, dass man pädagogisch-psychologische Prinzipien einbezieht, wenn man Lerngelegenheiten und Lernumgebungen gestaltet.

Im Gegensatz zum didaktischen Design (s.u.) bezieht sich das Instructional Design weitestgehend auf außerschulische Bereiche, wie Weiterbildung oder betriebliche Bildung. Es gibt außerdem einen deutlich größeren Bezug zur Technik, da es zum Beispiel häufig um das Erstellen von E-Learning Formaten geht.

Man arbeitet meistens nach einem bestimmten Modell. Hier gibt es zum Beispiel das Dick und Carey Systems Approach Model, das Jerold Kemp Instructional Design oder das wohl bekannteste Modell, das Addie-Modell (Bild 1). Es wurde 1975 vom „Center for Educational Technology“ der Florida State University für die amerikanische Armee entwickelt.


ADDIE-Modell

Das A steht für Analyze, also Analysieren. Hierbei analysiert man zuerst, ob es überhaupt ein Bedarf nach Weiterbildung gibt. Man identifiziert dann auch die Erwartungen und wie man diese dann im letzten Schritt messen kann. Wenn dann ein Bedarf festgestellt wurde, analysiert man als nächstes die Zielgruppe. Hier ist es besonders wichtig, dass man herausfindet, was der aktuelle Kenntnisstand ist. Außerdem versucht man andere Hintergrundinfos zu erfahren, damit man den Kurs möglichst gut an die Zielgruppe anpassen kann.

Das erste D steht für Design, wobei nicht nur, aber insbesondere auch das „Mediendidaktische Design“, also die pädagogische Konzeption des Materials gemeint ist. In diesem Schritt erstellt man ein, auf die Art des Kurses angepasstes, Storyboard. Zusätzlich kann man dann auch noch einen Prototyp erstellen. In dieser groben Version lässt sich dann testen, ob alle Funktionen und Konzepte so funktionieren, wie man sich das vorgestellt hat.

Das zweite D steht für Development, also die Entwicklung. In diesem Schritt entwickelt man den eigentlichen Inhalt. Außerdem ist das der Schritt, bei dem man das visuelle Design final umsetzt und gestaltet und auch die Navigation, Interaktion, Aufgaben und Lerntests umsetzt. Es ist auch der Zeitpunkt, an dem man den Kurs auf Rechtschreibung, Grammatik, die Lernziele, Navigation und die Funktionen überprüft.

Der nächste Schritt bezieht sich auf die Umsetzung, also I für Implement. Für E-Learning Kurse gibt es zwei hauptsächliche Verbreitungsmöglichkeiten. Man kann sie entweder übers Internet teilen oder mit Hilfe von Learning-Management-Systemen. Der Vorteil von den Learning-Management-Systemen ist, dass man dann den Fortschritt der Lernenden allumfassender überprüfen (Tracking) und somit häufige Fehler finden kann.

Als letztes steht eine Evaluation an (“E”). Hier werden die Erkenntnisse aus der Bedarfsanalyse mit dem fertigen Ergebnis und dessen Erfolg verglichen. Es sollte sich außerdem Feedback von den Lernenden eingeholt werden.

Derartige Prozessstrukturen sind vielen Designer*innen sicher nicht fremd, deren methodische Verfahrensmodelle zum Teil Ähnlichkeiten aufweisen.

Didaktik

Didaktik bedeutet so viel wie die „Lernkunst“ und wird heute als Wissenschaft aufgefasst, die das Lehren und Lernen analysiert,. Die Didaktik soll sachlich und psychologisch einen Inhalt lehrend vermitteln. Drei didaktische Modelle stehen hierbei im Fokus.

  1. Die bildungstheoretische Didaktik
    Hier liegt der Fokus auf den Inhalten, welche bilden und lehren sollen.

  2. Die lernzielorientierte Didaktik
    Der Fokus ist hier auf die Lernziele gerichtet.

  3. Die informationstheoretische Didaktik
    Fokus hier: das Lernen selbst.

Didaktisches Design

Das didaktische Design umfasst die gesamte Entwicklung von diversen Lernumgebungen und deren Konzeption. Ziel des didaktischen Designs ist es, mit dem Einsatz und der Gestaltung von Medien das Lehren und Lernen (etwa an Hochschulen) zu verbessern. Dazu hilft die Erstellung und die Gestaltung einer gestaltungsorientierten Mediendidaktik.

Lehrmedien werden gestaltet und produziert, um Lernende und Studierende effizienter zu informieren und um sie stärker zu motivieren. Außerdem werden die Medien erstellt, um die Kommunikation untereinander zu verbessern, diverse Gruppenprozesse zu beeinflussen und zu erleichtern, um dann einen höheren Lernerfolg zu erzielen. Die Konzeption von Lehrformaten sollte dabei stets auf Besonderheiten und Bedürfnisse der jeweiligen Zielgruppe Rücksicht nehmen, um die definieren Ziele besser erreichen zu können. Auch hier eine Parallele zum (nutzerzentrierten) Design.

Überschneidung von Design und Didaktik

Ohne Design kann Bildung nicht funktionieren. Fast alle Bereiche der Bildung müssen gestaltet werden. Dies fängt bei dem Bau von Schulgebäuden an und hört noch lange nicht beim Design von Arbeitsblättern auf. Wichtig ist hierbei, dass man als Gestalter:in immer das Ziel im Auge behält: Lernende sollen die Inhalte möglichst leicht verstehen können. Wie man dies ermöglicht, sieht im Kindergarten anders aus als bei der beruflichen Weiterbildung.

Welche Anforderungen die Zielgruppe hat, lernen Pädagog:innen im Studium, jedoch nicht zwingend, wie man diese dann gestalterisch umsetzen kann. So gibt es zwar Expert:innen, wie die Instructional Designer:innen, die sich speziell damit auseinandersetzen, Lerninhalte zu designen, in einem Lehramtsstudium steht dies jedoch nicht im Fokus.

Welche Schriftarten kann man am besten lesen? Wie ordne ich Dinge möglichst übersichtlich an? Wie steuere ich die Aufmerksamkeit optisch auf die wichtigsten Elemente? Wie kann ich mithilfe von Typografie Schüler:innen mit Legasthenie das Lesen einfacher machen? Dies sind nur ein paar Fragen, die man bei einer Verbindung von Design und Pädagogik beantworten kann. In diesen Fällen kann Design die Didaktik unterstützen und den Lernprozess vereinfachen.

Es können aber nicht nur Teile des Designs in die Bildung übertragen werden, man kann als Gestalter:in auch einiges aus den Arbeitsweisen von Pädagog:innen mitnehmen. An dieser Stelle erinnern wir uns noch einmal an den Beginn des Artikels zurück. Design lässt sich auch als Handlungsweise, als Entscheidungshandeln oder als Problemlösen verstehen. Beim Gestalten von Lerninhalten geht es nur nebensächlich um grafisches Gestalten und viel mehr um das generelle Vermitteln von Inhalt und die Interaktion mit Menschen. Man muss, wenn möglich, auf jeden Menschen individuell eingehen, spontan auf Probleme reagieren und diese lösen können und gestaltet aktiv das Leben und die Zukunft anderer Menschen mit. Von pädagogischen Methoden kann man als Designer:in also auch noch viel lernen, nicht zuletzt, dass der Design-Begriff mehr umfasst, als das bloße Gestalten von Medien.

Design und Bildung sind sich näher, als bisweilen vermutet wird. Beide Themenwelten noch intensiver miteinander zu verbinden – davon würden alle Seiten nur profitieren.


[1] Es soll an dieser Stelle nicht unerwähnt bleiben, dass Design nicht selten auch Verursacher, anstatt Löser:in von Problemen ist.

References

Didaktisches Design: Lehre 4.0 der Justus-Liebig-Universität Giessen, [online] https://www.uni-giessen.de/fbz/zentren/ggs/lehrevierpunktnull/ElearningMap/weitere-infos/didaktisches-design-1 [abgerufen am 23.6.2022].

Inhalte (2020): e-teaching.org, [online]
https://www.e-teaching.org/didaktik/konzeption/inhalte
[abgerufen am 23.6.2022].

Klante, Sonja: Was ist Instructional Design?, wb-web – Kompetenz für Erwachsenen- und Weiterbildner/innen, [online] https://wb-web.de/material/methoden/was-ist-instructional-design.html [abgerufen am 23.6.2022].

Klante, Sonja: Eine digitale Lernumgebung nach dem ADDIE-Modell entwickeln, wb-web – Kompetenz für Erwachsenen- und Weiterbildner/innen, [online] https://wb-web.de/material/methoden/eine-digitale-lernumgebung-nach-dem-addie-modell-entwickeln.html [abgerufen am 23.6.2022].

Kerres, Michael: Didaktisches Design und eLearning: Zur didaktischen Transformation von Wissen in mediengestützte Lernangebote, in: D. Miller (Hrsg.), eLearning. Eine multiperspektivische Standortbestimmung, Haupt Verlag, [online] https://learninglab.uni-due.de/sites/default/files/kerres4miller-final_0_0.pdf [abgerufen am 23.6.2022].

Konzeption (2015): e-teaching.org, [online] https://www.e-teaching.org/didaktik/konzeption [abgerufen am 23.6.2022].

Reinmann, Gabi: Studientext Didaktisches Design (2015), 5. Version, Hamburg, Deutschland: Universität Hamburg, [online] https://gabi-reinmann.de/wp-content/uploads/2013/05/Studientext_DD_Sept2015.pdf [abgerufen am 23.6.2022].

Zerweck, Philip (2019): Design als Beruf: Eine Begriffserklärung, in: Saskia Plankert (Hrsg.), Entwerfen, Lernen, Gestalten – Zum Verhältnis von Design und Lernprozessen, transcipt Verlag, S. 16-18, [online] https://www.transcript-verlag.de/media/pdf/f7/51/0b/ts4833_1o0S1jiOvPxKmI.pdf [abgerufen am 23.6.2022].

Download & Citation Info

Bärmann, Emma & Lena Partikel (2022): Design und Bildung – Wieso wir mehr Design in der Bildung und mehr Pädagogik im Design brauchen. DESIGNABILITIES Design Research Journal, (12) 2022. https://tinyurl.com/ybhvnbnx ISSN 2511-6274